
Neulich las ich in einem Internetforum den Aufruf eines Kollegen, der forderte: Nie ohne Ehevertrag!
Versteht mich nicht falsch: das wachsende Bewußtsein um die eigenen Rechte und die Notwendigkeit sie zu kennen um sie gegebenenfalls zu regeln vor der Eheschießung begrüße ich sehr, aber wie bei allem im Leben muss man fein differenzieren und auch im Vorfeld klären, ob man etwas und im Falle des Bejahens was man denn wirklich braucht. Denn es sollen im (Ehevertrags-) Recht ja nicht New Yorker - Verhältnisse entstehen, wo jeder einen Therapeuten braucht, bloß weil man einen haben muss und ohne einfach nicht trendy und cool ist.
Mein Schlüsselerlebnis dazu hatte ich bereits am Anfang meiner Tätigkeit vor vielen Jahren, als eine Mandantin mit Kind, einem Teilzeit-Job als Kassiererin und einem Ehemann mit vielleicht 1800 € netto gehört hatte, dass sie einen Ehevertrag bräucht und nach einer Beratung in einer anderen Kanzlei, die damals als bundesweit tätige Kanzlei-Kette auftrat, mit einem völlig sinnlosen Enwurf und einer ordentlichen Rechnung bei mir erschien, obwohl sie nur Dinge vereinbaren sollte, die sie im Ernstfall benachteiligt hätten.
Zum Glück verstand sie relativ schnell, tat sich nur schwer damit, die Rechnung für den sinnfreien Entwurf trotzdem zahlen zu müssen, aber wenigstens hatte sie einen dauerhaften Schaden für sich und weitere Kosten für die notarielle Beurkundung gespart.
Daher die generelle Bitte : Prüfe doch zuerst (gern unter sachkundiger Anleitung), ob Du überhaupt einen Ehevertrag brauchst.
Dafür kann es 2 Motivationslagen geben:
1. Du möchtst Dich (oder Dein Vermögen) schützen
Verdienst Du gut oder sehr gut, hast noch Karrierechancen, aber einen Partner, der zwar zauberhaft und liebeswürdig ist, aber keinerlei berufliche und finanzielle Ambitionen verfolgt und sich unter Deinem Gehaltsniveau bewegt, lautet die Antwort vermutlich: ja, Du könntest von einem Ehevertrag profitieren.
Erwartest Du größere Zahlungen oder Erbschaften, spekulierst erfolgreich an der Börse und bist sparsam und hast einen Ehegatten, der gern entspannt ist und findet, dass man Geld ausgeben und die Konjunktiur ankurbeln sollte, lautet die Antwort vermutlich auch ja.
Du bist angestellt tätig und hast einen selbständigen Unternehmer-Ehegatten, der keine Altersvorsorge oder nur Altersvorsorge in Immobilien oder Lebensversicherungen betreibt und möchtest Deine Rente im Falle einer Trennung nicht mit dem Anderen teilen: ja.
Oder Du hast einen Partner, der zuletzt einen 450€-Job als Regaleinräumer bei Rewe hatte (das wurde mir neulich ernsthaft als letzter Beruf eines Ehemannes genannt!) oder noch schlimmer: tagsüber kiffend im Bett liegt und nur gelegentlich auf Flohmärkten arbeitet, wenn das Geld knapp wird (auch true!) lautet die Antwort mit Sicherheit: ja!
2. Du willst das schöne Leben für Dich perpetuieren
Es gibt Paare, da ist einer so gut situiert, dass er dem Anderen gern die Welt zu Füßen legt. Und das ist ganz großartig.
Wenn man selbst jedoch nicht der wirkschaftlich stärkere Teil ist, kann man ehevetraglich die guten Verhältnisse aus der Ehe über die Dauer der Ehe hinaus verlängern. Insbesondere wenn es keine Kinder gibt.
So habe ich Mandantinnen, die nach einer Trennung in eine ernsthafte Existenzkrise geraten, weil sie dann sehr plötzlich nicht mehr für 20.000€ im Monat shoppen können und allein die Instandhaltungs-Kosten für die eigene Schönheit mehrere Monatseinkünfte von normal Sterblichen verschlingen (Lashes, Anti-Aging, Body-wrapping, Bleaching, what the hell....).
Und für diese Fälle lautet die Notwendigkeit eines Ehevertrages auch definitiv ja, da man nicht nur die Höhe und Dauer des nachehelichen Unterhaltes, sondern die Winterräder für den Porsche, die Tankkarte und alle 4 Jahre ein neues Fahrzeug für die Gattin ganz wunderbar durch einen Vertrag zu Zeiten regeln kann, wo die Stimmung zwischen den Ehegatten noch nicht durch die Feindseligkeit der Trennung vergiftet ist.
Für ganz viele der Normalo-Fälle, in denen 2 Menschen heiraten, die wirschaftlich einen ähnlichen Hintergrund haben, ähnliche Einkünfte haben, Kinder wollen oder haben und weder riesige Kursgewinne noch Erbschaften oder Lottogewinne erwarten, kann die Antwort auch eher nein lauten. Diese Menschen benachteiligen sich möglicherweise sogar durch einen Ehevertrag.
Ganz vorsichtig sollte man werden, wenn ein wirtschaftlich stärkerer Ehegatte ( und nicht Du) plötzlich einen Ehevertrag will, weil
- seine/ihre Eltern es unbedingt wollen
- Du mit den Schulden der Firma nichts zu tun haben sollst ( Achtung: meist Fake-Argument!)
- die Firma erhalten bleiben soll im Fall der Trennung.
Dann ist akute Gefahr im Anmarsch und Du solltest nichts unterschreiben, ohne dass Dein Anwalt den Vertrag geprüft hat. Denn hinter solchen guten Argumenten verstecken sich meist die größten Fallen, so daß Du zum Beispiel nicht nur auf die Firma verzichtest, sondern auch auf alles andere ohne es zu merken und dann nach 30 Jahren Ehe ohne alles darstehst, weil Unternehmer meist keine gesetzliche Rentenvorsorge betreiben, Du Dein 5-stelliges Taschengeld lieber bei Prada und Gucci mit Deinen Freundinnen ausgegeben hast als bei der Lebensversicherung oder im ETF und die 47 neuen Immobilien aus der Ehezeit überraschender Weise alle zur Firma gehören und dort eingegliedert sind und Du davon komischerweise auch nichts bekommst. Überraschung!
Aber das wißt Ihr ja jetzt alle zum Glück, wie ich neulich noch gemerkt habe als ich von einer lieben Followerin eine Anfrage für einen Ehevertragsentwurf
bekommen habe über den ich mich sehr gefreut habe, aber unabhängig von mir kam sie nach der Anfrage parallel selbst auch zu dem Ergebnis, das sie ja eigentlich gar keinen bräuchte, was mich auch sehr gefreut hat, weil ich gemerkt habe, dass sie es verstanden hatte und etwas Wichtiges gelernt.
Seid also nicht verwundert, wenn Euch der Anwalt Eures Vertrauens sagt, dass es zwar schön ist, wenn ihr ihn fragt, weil es zeigt, dass Ihr schlaue und umsichtige Menschen seid und Ihr ihm vertraut, aber Ihr nicht wirklich einen Ehevertrag benötigt.
Es ist so ähnlich wie bei Zahnärzten: es gibt so welche, die beim Erstkontakt schon feststellen, dass sämtliche Kronen ausgewechselt werden müssen und alle vorhandenen Füllungen eigentlich lebensbedrohlich oder zumindest Mist sind und es gibt so Zahnärzte wie meinen, der nur handelt, wenn wirklich etwas kaputt ist und mich nicht unnötig zu Tode ängstigt mit diversen Behandlungssitzungen und Kostenvoranschlägen und der schon eine Garage hat und verstanden, dass man nicht mehr als 1 schickes Auto gleichzeitig fahren kann und dafür liebe ich ihn sehr.
Ihr wißt jetzt in etwa wie es geht - Ich glaube ganz fest an Euch !
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Heike S. (Freitag, 09 Juni 2023 11:36)
Liebe Frau Göbel,
vielen Dank für diesen Beitrag.
Ich habe letztes Jahr nach 36 Jahren Beziehung auf Anraten der Rentenversicherung (ich bin 66 Jahre alt und hätte letztes Jahr in Rente gehen können) den Vater meiner Tochter geheiratet, damit wir uns im Alter gegenseitig besser absichern können und die Erbschaften nicht fast komplett ans Finanzamt gehen.
Wir haben über die Jahre ähnlich viel verdient. Ich habe jederzeit ganztägig gearbeitet, was mir sehr wichtig war - nicht zuletzt als Vorbild für unsere Tochter - und hätte eine gute eigene Rente. Der Kindsvater ist selbstständig und leistet monatlich einen hohen dreistelligen Betrag für seine Rentenversicherung. Und er hat tatsächlich mehr Zeit und Energie in die Betreuung unserer Tochter investiert als ich, weil er seine Zeit besser einteilen konnte (würde aber als Selbstständiger nicht von einer "Mütterrente" profitieren!).
So geht es also auch!
Ich lese mit Hochspannung Ihren instagram Account und wundere mich sehr, was es alles für Verhältnisse gibt.
Liebe Grüße
Anna Göbel (Dienstag, 13 Juni 2023)
Liebe Heike,
es geht so vieles, wenn man mit gutem Willen und eteas Verstand an eine Situation herangeht...
Auf jeden Fall eine gute Lösung!