
Wie, Du bist gerade gestresst, unglücklich oder fast am Limit Deiner Kräfte ?
Dabei musst Du nur noch 37 Weihnachtsgeschenke besorgen, die Plätzchen müssen noch gebacken werden, im Job ist gerade Jahresendgeschäft, da mußt Du natürlich länger bleiben. War ja lange Corona, da hat der Chef nichts verdient und dann haben alle angefangen wegen des Krieges zu sparen, also bleibt Du natürlich länger; ist ja Ehrensache.
Die Adventszeit ist trotzdem immer so gemütlich und voller Erwartungen und Vorfreude und dann möchte man mit den Freunden auch gern auf den Weihnachtsmarkt gehen, aber die Weihnachtsfeier vom Handballverein, der Wichtel-Treff mit den Pilates-Mädels, das Krippenspiel vom Kind 1 in der Grundschule muss natürlich auch besucht werden, und allen Verwandten fällt ein, dass ein Adventskaffee bei Euch immer so stimmungsvoll war.
Geht natürlich nur mit diesen hübschen, kleinen selbgebackenen Stollen, nur so Plätzchen ist auch nicht für jeden etwas.
Auch muss es zu Weihnachten als Geschenk möglichst immer etwas Selbstgebasteltes sein: Eierlikör aus dem Thermomix geht ja schnell, die Kekstüte für alle Nachbarn und die Kollegen sind legendär und den Fotokalender für den Opa hat es doch seit der Geburt der Kinder immer als Geschenk gegeben. Was wäre der enttäuscht! Ups, und der Schulbasar für einen guten Zweck kommt ja auch noch.
Oma Erna hat im Dezember mittendrin auch Geburtstag. Das ist natürlich etwas anderes und sie freut sich immer so sehr auch mal die Kinder zu sehen. Sie hat ja so wenig von denen. Absagen kommt da gar nicht in die Tüte und wäre herzlos, da sie ja schon seit Mai immer den Geburtstag genauestens plant. Und es könnte immer der letzte sein.
Die Kolleginnen wollen sich auch mal wieder mit Dir auf einen Glühwein treffen.
Aber auch die Tennistruppe aus dem Urlaub vom letzten Jahr.
Ist nicht schlimm, so geht es grad allen, da muss man halt durch. Oder etwa nicht ?
Spätestens wenn Dein Rücken so weh tut, weil Du schon 3 Wochen nicht beim Sport warst, Du im Auto fast hyperventilierst, weil Kind 2 schon wieder - das 3. Mal in 6 Wochen - Ohrenschmerzen hat und Du mit hängender Zunge, aber natürlich wieder zu spät, weil Du Überstunden gemacht hast, zum 5. Weihnachtstreff mit Freuden gehetzt kommst oder Du genau vor Weihnachten immer krank wirst, solltest Du genau nachdenken. Ob das wirklich Dein Leben ist.
Denn - machen wir uns nichts vor - so schlecht wie Du grad drauf bist, fällt es natürlich auch den anderen auf und sie fragen ganz besorgt, ob es Dir gut geht oder du vielleicht Probleme hast.
Und irgendwie bist Du gerade ohnehin uncool, gehst immer so früh nach Hause, siehst auch schlecht aus und warst früher auch mal lustiger und redseliger.
Der Weg aus diesem Hamsterrad ist so einfach wie schwer: Dein Nein!
Dazu bedarf es folgender Schritte:
1. Überlegung: Was will ich wirklich ?
Wenn man nur 12 Stunden Lebenszeit am Tag für die Bewältigung von 38 Aufgaben hat und schon ein kleiner Stau den minutiös geplanten Tagesplan komplett zerstört, fehlt es schon an der Zeit sich genau diese Frage zu stellen und zu überlegen, da es viel einfacher ist, schnell eine Task im Geiste abzuhaken und schnell zur anderen zu huschen. Trotzdem ist diese Frage schlichtweg für dich überlebenswichtig.
2. Priorisierung
Viele Aufgaben sind wichtig und müssen erledigt werden: Job, (kleine) Kinder von der Schule abholen, das Antibiotikum von der Apotheke abholen and so on.
Ob es aber wirklich etwas Selbstgebasteltes sein muss oder man an den 9 Weihmachtsmarkttreffen mit Leuten, die man zum Teil monatelang nicht gesehen hat, wirklich teilnehmen muss, könnte nochmal ganz genau überdacht werden.
Die Priorisierung sollte sich vor allem nicht nur an den Erwartungen der Anderen orientieren, sondern - oh Frevel - an Deinem Lusthaben.
3. Enttäuschungen einplanen
Keiner, wirklich niemand, enttäuscht Familie und Freunde gern. Und ja, möglicherweise werden Leute enttäuscht sein, wenn du nicht das machst, was sie gerade wollen. Das ist nicht schön. Aber es ist zu überleben.
Viel schlimmer ist es, wenn Du enttäuscht vom Leben (und Dir) enttäuscht bist, weil Du die 3. Staffel "Sex an the city" immer noch nicht gesehen hast, von der alle seit Wochen reden, obwohl Du es dir schon so lange vorgenommen hast. Und Freunde hinter Deinem Rücken oder auch davor fragen, ob alles bei Dir in Ordnung ist, weil Du so komisch schlecht aussiehst, so wortkarg bist, um 10 Uhr immer schon nach Hause willst und man früher auch mal mehr mit Dir anfangen konnte. Solche Sprüche können echt weh tun! Dabei wolltest Du nur nett sein und wolltest keinen enttäuschen. Brauchst Du das?
4. Gefühle fühlen
Bist Du müde ? Schlaf.
Bist Du traurig? Sei traurig und frag dich warum.
Bist Du unzufrieden? Überleg dir warum und mach, wonach Dir der Sinn steht.
Bist Du gestresst ? Entspanne wie Du willst und lass Dinge bleiben, bloß weil Du meinst du müsstest people pleasen.
5. In die Zukunft denken
Stell Dir Dinge vor, die Du immer schon mal machen wolltest: das Retreat auf Bali, dessen Prospekt du schon seit Monaten in der Schublade hast; die Trekking-Tour in Nepal, die 10-tägige Radtour durch Polen, das Wunschgewicht unter 65 kg, damit Du Dich wieder wohlfühlst und was nur durch 3 Workouts in der Woche zu bewerkstelligen ist, ein Weihnachten in New York oder unter Palmen oder der Traumurlaub auf den Malediven.
Natürlich kannst Du diese Dinge aufschieben und Dich damit trösten, dass Du sie später einmal machen wirst, aber wer gerantiert Dir, dass Du mit 83 noch ausreichend Aktivitätsimpulse, Gesundheit oder Geld haben wirst, um Deine Wünsche umzusetzen ?
Klar kannst Du auch mit 75 noch in Nepal die Berge erklimmen, nur wirst Du vielleicht 2 Integrationshelfer benötigen, die Dich abwechselnd mit dem Rollator den Berg hinaufschieben. Auch ist es vermutlich nicht so lustvoll wie heute "irgendwann" wieder 63 kg zu wiegen und in all die heißen Fummel von Zara oder Valentino aus der Holiday-Kollektion zu passen, weil Du dann möglicherweise die 3. Chemo hinter Dir hast und Dich bis dahin vielleicht in einen Ganzkörperanzug aus Thermo-Angora sehnst anstatt in ein Slip-Dress aus Seide, das dann mit einem Port am Dekollete´ und schwabbeligen Oberarmen auch vermutlich irgendwie Scheisse aussieht.
Und ob der Segelturn auf den Malediven mit einer künstlichen Hüfte dann auch noch so witzig ist, wie jetzt, sei auch mal dahingestellt.
Gleiches Schicksal kann Dich auch ereilen, bis du Dein Wunsch-Weihnachtsfest in einer Schnee-Hütte erleben kannst, da es sogar Schwiegermütter gibt, die 108 Jahre alt werden! (Ich schwöre, dieses schwere Schicksal hat eine Bekannte ereilt und die darf mittlerweile noch nicht mal mehr mit zu den Geburtstagen mitkommen...)
Dein Leben hast Du mit Garantie nur heute und jetzt.
6.Mut zum Nein
Ein Nein ist das schwerste Wort überhaupt. Aber auch den Nein-Muskel kann man zum Beispiel mit einem kleinen Nein zu fremden Erwartungen jeden Tag trainieren. Bis er ganz groß und stark ist und es Dir gar nichts ausmacht.
Ich wünsche Dir also ab heute und ganz besonders ein ganz großes Nein Deiner Wahl zu Weihnachten.
Mein Mann fragte übrigens, ob ich nicht noch ein neues Foto machen wolle, da ich hier die Nase so komisch kräusele. Lieber gehe ich gleich mit einem Buch aufs Sofa unter die Decke, weil mir kalt ist und bei dem Foto denke ich, dass es nicht so wichtig ist, wie die Worte.
Ihr kennt also die Antwort:
Einfach "Nein"!
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Agnieszka Pohlmann (Dienstag, 13 Dezember 2022 18:49)
Hi! Was für ein wahres Thema!! Danke für das Wachrütteln!!
Scheint oft so schwierig - aber ist dann doch so einfach - und Kinder können das perfekt „NEIN, will ich nicht“ und ziehen diese Entscheidung auch super konsequent und auch erfolgreich durch! Warum ist das im Erwachsenenalter so schwierig geworden? Das NEIN?
Und das Foto sieht dich gut aus!!!