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Sonderbedarf und Mehrbedarf - Was ist das?

Heute mal ein absoluter Anwaltsklassiker aus der Praxis, der alle getrennt lebenden Elternteile in den Wahnsinn treibt:

 

Die Sonderkosten fürs Kind!

 

Grundsätzlich ist der Unterhalt fürs Kind ganz prima aus der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen: dort ist hübsch nach Einkommensstufen und Altersstufen der Kinder zu erkennen, wieviel Grundunterhalt dem Kind vom barunterhaltspflichtigen Elternteil (also dem Elternteil, der das Kind nach der Trennung nicht durchgängig betreut) zusteht.

 

Ist im Einzelfall Unterhalt nach der ersten oder zweiten Stufe geschuldet wird schnell deutlich, dass man davon nicht alles, was ein Kind so braucht, wirklich gut kaufen kann, sondern die Beträge wirklich nur den Grundbedarf abdecken. Bei zB einem Unterhaltsbetrag iHv 341,50 € für ein 11-jähriges Kind  im Monat, muss auch der Kauf der heissbegehrten Adidas "Ultraboost" für 160 € , ohne die das Kind glaubt sozial geächtet zu werden, wirklich gut überlegt werden.

 

Neben solchen Luxuswünschen  gibt es aber noch weiteren Bedarf, den die Eltern unregelmäßig zu tragen haben: die Kommunsionsfeier  oder Konfirmationskleidung, Zahnspangen, Sportbrillen, Klassenfahrten von der Schuld oder neue Fußballschuhe nebst Trikots, da das Kind mittlerweile so gut spielt oder einfach nur den Sportverein gewechselt hat.

 

Die Rechtsprechung unterscheidet dort nach MEHRBEDARF und SONDERBEDARF.

 

Mehrbedarf liegt vor, wenn bestimmte Kosten regelmäßig während eines längeren Zeitraumes anfallen, kalkulierbar sind und die Bedarfssätze nach der Unterhaltstabelle dermaßen übersteigen, dass sie dort nicht erfasst sind. Kurz: es sind Mehrausgaben, die zu Lebensbedarf des Kindes gehören.

 

Nach der Rechtsprechung handelt es sich dabei etwa um Kindegartengebühren (BGH XII ZR 65/07),

Beiträgen zur privaten Krankenversicherung (OLG Koblenz  11 UF 519/08),

Studiengebühren OLG Koblenz 11 UF 519/08),

Nachhilfekosten bei einer Lernschwäche (BGH Urteil vom 10.07.2013; Az: XII ZB 298/12)

und nach Auffassung mancher Gerichte auch Kosten des Reitunterrichts (OLG Frankfurt 6 UF 323/13). Gleiches gilt für regelmäßigen  Bedarf des Kindes, den man als Eltern gemeinsam begründet hat : die Trainerstunden im Golf oder der teure Gesangsunterricht an der Musikakademie in Basel, da beim Kind eine besondere Begabung vorliegt.

 

Dabei ist zu beachten, das jeder Fall minimal unterschiedich sein und daher auch anders beurteilt werden kann. So ist weiter mittlerweile einhellige Meinung bei den Richtern, das die "normalen" Semestergebühren kein Mehrbedarf darstellen, sondern aus den Unterhalt bezahlt werden müssen.

Da muss man schon ganz fein unterscheiden.

 

Sonderbedarf  im Sinne des § 1613 Abs 2 BGB ist ein überraschender, unregelmäßiger und  außergewöhnlich hoher Bedarf mit dem man nicht rechnen konnte und der nicht vorhersehbar war.

Dieser Sonderbedarf ist daher nicht im Grundunterhalt enthalten und rechtfertigt eine weitere Unterhaltsleistung.

 

Darunter fallen zum Beispiel unvorhersehbare Arzt oder Arzneikosten, die von der Krankenkasse nicht voll erstattet werden,

die Kosten eines Lerncomputers (OLG Hamm 11 UF 24/09),

die Sportbrille für den Sportunterricht,

oder ganz klassisch: die Zahnspange !

 

Grundsätzlich muss der betreuende Elternteil dabei beachten, dass er nicht wahllos ohne Absprache Behandlungen auswählen kann und ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse sich einfach für die  teuerste  kieferorthopädische Behandlung entscheidet, obwohl dies den finanziellen Verhältnissen der Familie nicht angemessen ist.

Neben einer (hoffentlich) selbstverständlichen Absprache muss man daher auch die Kostenrelation im Auge behalten und möglichst versuchen, kostengünstig zu entscheiden.

 

Sonst kann es einem nicht nur passieren, dass man den Großteil  der Kosten selbst tragen muss, sondern vom Richter auch noch gesagt bekommt, dass das Kind so hässlich ist, da könne es auch eine Zahnspange mit Kopfbügel tragen, das würde nicht wirklich schaden ( Zum Glück ist der Richter bereits pensioniert, aber GENAU das hat er gesagt!).

Und erhält man Unterhalt nach den hohen Einkommensstufen nach der Düsseldorfer Tabelle ist man verpflichtet Rückstellungen aus dem laufenden Unterhalt zu bilden, damit man den zahlungsvverpflichteten Elternteil nicht zusätzlich noch unangemessen mit weiteren Ausgaben belastet.

 

Bei Kommunionskosten oder Konfirmationskosten ist das von der Rechtsprechung noch nicht so klar entschieden, so dass darüber ein Rechtsstreit mit Vorzicht anzuzetteln ist.

 

Liegt also Sonderbedarf oder Mehrbedarf vormüssen beide Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen diesen Bedarf tragen (BGH XII ZB 298/12).

 

Beachte: Mehrbedarf gibt es nur ab Geltendmachung, Sonderbedarf kann 1 Jahr rückwirkend geltend gemacht werden.

 

Mit dieser Richtschnur sollte es also für alle etwas klarer sein...

 

 

 

 

 

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