
Narzisst und Goldmund
Auch im Leben und Recht gibt es von Zeit zu Zeit gewisse Modeerscheinungen, die wie eine Welle aufsteigen, sich einige Jahre halten und dann wieder in der Versenkung verschwinden.
So gab es vor einigen jahren eine intensive Phase, in der Eltern glaubten ihr Kind habe ADHS und es unbedingt ärztlich medikamentös behandelt sehen wollten.
Neue Phänomen sind - so sagt es schon der Begriff - meist anfangs noch etwas unerforscht, beinhalten die Verlockung einer Erklärung für die aktuellen Probleme, die man vielleicht hat und sind einfach trendy.
Auch ist ein solches Label für Gegebenheiten manchmal für einen selbst einfacher handzuhaben als einfach die Erkenntnis, das man möglicherweise eine sehr aktives und lebendiges Kind hat, dass täglich gefördert werden will und es nicht einer artgerechten Haltung für so ein Kind entspricht einmal in der Woche mit ihm auf den Spielplatz zu gehen und es sonst vor den Kinderkanal zu setzen und sich dann zu wundern, warum es dann nach kurzer Zeit anfängt wie wild auf den Sesseln zu hüpfen.
Ein neuer Trend im Familienrecht ist der Narzissmus.
Der Begriff stammt aus der grichischen Mythologie und basiert auf der Geschichte des Narziss, des schönen Sohnes des Flussgottes Kephissos und der Wassernymphe Leirope.
Aufgrund seiner körperlichen Attraktivität übte er auf seine Mitmenschen eine unglaubliche Anziehungskraft aus und sie verliebten sich reihenweise in ihn. Er hingegen wies sie aus Stolz und Überheblichkeit zurück und kam der Geschichte nach durch seine Selbstliebe um, als er an einer Wasserquelle stand und sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte. Über den genauen Tathergang am Wasser wird gestritten, aber der Vorfall an der Wasserquelle bedeutete auf jeden Fall sein Ende und Verderben.
Umgangssprachlich bedeutet heute der Begriff "Narzissmus" so viel wie Selbstverliebtheit oder Selbstbewunderung, sollte aber keinesfalls unterschätzt werden, da er in massiver Ausprägung sogar als psychische Störung im "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders" (diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen, kurz: DSM), der Bibel der Klassifikationssyssteme der Psychiatrie, gelistet ist, welches seit 1952 von der Amerikanischen pschiatrischen Gesellschaft herausgegeben wird und mittlerweile in der 5. Auflage auch bei uns zur Klassifizierung von psychischen Störungen gilt.
Ein Narzisst ist per Definition ein Mensch mit einem von sich grandiosen, aber sehr verletzbaren Selbstbild, welches ihn zur ständigen Suche nach Selbstbestätigung durch seine Umwelt treibt (Morf und Rhodewalt, 2001).
Solche Menschen sind zwar anfangs meist charismatisch, wirken oder sind erfolgreich und selbstbewusst, faktisch überschätzen sie sich aber meist maßlos, interssieren sich in keinster Weise für andere und reagieren in der Regel abwertend, rücksichtslos und kalt.
Dabei ist es allerdings nicht so, dass Narzissten keine Gefühle haben, sondern sie haben durchaus Gefühle, aber nur für sich selbst, nicht für andere.
Durchaus ein Phänomen, das durch viele anwaltliche Akten geistert und so gehäuft auftritt, dass sich Psychiater und Psychologen mittlerweile auf die Behandlung spezialisiert und eigene Institute zur Behandlung dieser Störung gegründet haben ( auch wenn ich nicht am Umsatz beteiligt bin: an dieser Stelle möchte ich ausdrücklich Prof. Rainer Sachse aus Bochum nennen, da es manchmal schwierig ist, einen geeigneten Ansprechpartner zu finden).
Leben Sie mit einem Narzissten?
Findet Ihr Partner sich und alles was er tut immer ganz grossartig (ohne zum Teil auch die entsprechende Performance zu bringen) ?
Und alle anderen haben keine Ahnung, sind dumm, dick und hässlich und eigentlich komplett uninteressant?
Verlangt Ihr Partner ständig Aufmerksamkeit, Bestätigung und Bewunderung ist aber nie bereit ein freundliches Wort zurückzugeben und ist bei auch nur einem Wort der Kritik gleich unendlich gekränkt und fühlt sich komplett in Frage gestellt ?
Sie weisen ihn zum Beispiel darauf hin, das er vergessen hat die Milch im Supermarkt zu kaufen und er ist tagelang beleidigt, da Sie ernsthaft wagen seine Kompetenz (nicht nur) beim Einkauf in Frage zu stellen
( und DAS noch vor den Kindern!)?
Viele Frauen haben mir von solchen Verhaltensweisen (und noch viel schlimmeren) in ihrer Beziehung erzählt, die viel Leid verursachen.
Doch die wichtige Frage ist : Wie geht man damit um ?
Es gibt so viele speziell dafür ausgebildete Fachleute, die ganz genau wissen, wie man mit einem Narzissten am besten umgeht, wie man ihm sagen sollte, dass er sich möglicherweisevielleichteventuell einmal nicht 100% wohl und richtig verhalten hat, man selbst auch mal ein Bedürfnis hat oder gar - was erlaubt man sich? - etwas anderes möchte oder auch mal etwas bestimmen möchte?
Da ich höchstens Küchenpsychologin bin, bin ich unbedingt dafür sich immer bei den entsprechend dafür ausgebildeten Menschen darüber zu informieren, wie man am Besten mit Narzissten umgeht.
Doch sollten wir vielleicht mal genau diesen Ansatz hinterfragen: Warum sollte ich das tun ?
Tue ich genau das, dreht es sich wieder nur um den Anderen, der ständig Aufmerksamkeit sucht und braucht und mich abwertet und als Person nicht wahrnimmt. Ich investiere weiterhin (MEINE) Zeit und Geld und Energien und Ressourcen und tanze auch nach einer Trennung oder mit räumlichen Abstand in meiner Freizeit noch um den Narzissten wie ums goldene Kalb, obwohl er es möglicherweise noch nicht mal mitbekommt.
Wie blöd ist das denn ?
Die wichtigste Frage im Leben eines jeden Menschen sollte doch lauten: Was will ich eigentlich ?
Davon gibt es viele Varianten: Was brauche ich, damit es mir gut geht?
Was macht mir Spaß? In wessen Gesellschaft fühle ich mich wohl und nicht ständig so, als ob etwas mit mir nicht stimmt? Was möchte ich machen ? Was sind meine Werte und warum sollen die Werte eines Anderen besser oder richtiger sein als meine?
Warum sollte ich mich schlecht behandeln oder ständig kritisieren lassen ?
Warum sollte ein anderer Mensch dauerhaft das Recht haben mich und mein Verhalten zu bewerten oder abzuwerten (von uns ist ja keiner zur Heirat oder Beziehung gezwungen worden!) ?
Ja, ich weiß: wenn man wie ein Floh 24/7 um das Wohlergehen von Mann und Kindern zwischen Kita, Supermarkt vor der Arbeit, Kundengesprächen, Präsentationen, Schulbetreuung, Fußballverein, Waschmaschine und Logopädie hopst und dem Partner abends auch mal den Rücken freihalten muss, da er ja schließlich den ganzen Tag gearbeitet hat und auch mal Ruhe braucht, ist das geradezu ein revolutionärer Gedanke! (Mon Dieu! Wie kannst du nur sowas denken? Was fällt dir ein ?)
Aber richte ich mich mehr nach mir aus und nach meinen Bedürfnisses ist es eher zu ertragen, wenn mir vorgeworfen wird, das ich für das Unglück des Narzissten verantwortlich bin. Offensichtlich ist es dann so, also kann ich es ohnehin nicht ändern und kann mich dann erst recht danach ausrichten, was ich möchte und mir gut tut, denn DARAUF habe ich Einfluß. Und das eigene Wohlergehen sollte nicht weniger wert sein als das Glück der/des Anderen.
Viele meiner Mandantinnen haben sich aus ganz eigenen Stücken oder auch mit Unterstützung aus ihren schädlichen Beziehungen mit Narzissten befreit,
indem sie genau das gemacht haben: sich selbst wieder in den Focus zu rücken! Und jeder, wirklich jeder, ging es später viel besser als vorher.
Natürlich sind Narzissten gelegentlich dann erst so richtig gekränkt und drehen mächtig auf, wenn sie ungewohnte Ablehnung oder zumindest das Ausbleiben der ständig
erwarteten Bewunderung ihres (gefühlten) Leibeigenen spüren, aber wenn ich mich und meine Wünsche mindestens so wichtig nehme, wie die Befindlichkeiten des Partners, dann kann ich auch das
problemlos überstehen, da ich ja weiss, dass das nichts mit mir zu tun hat.
Und jede Aggression die da kommt nur ein Zeichen für die eigentliche Schwäche des Narzissten ist, der spürt, das seine Macht über mich schwindet.
"Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer lebenslangen Romanze."
hat schon Oscar Wilde gewusst.
Vielleicht probieren wir es mal so herum aus...
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Sophia (Sonntag, 10 Januar 2021 09:57)
Ging es tatsächlich keiner besser nach einer Trennung von einem Narzissten?
Ich kann sagen, dass es meiner Psyche und meinem Selbstbewusstsein deutlich gutgetan hat.
Liebe Grüsse
Sophia
Yolanda (Sonntag, 10 Januar 2021 14:42)
Jeder ging es besser steht da! ☺️
Maria (Dienstag, 12 Januar 2021 13:36)
Toller Blog!!! Was alles in dieser Welt gibt, unglaublich. Ich stelle mir nur jetzt die Frage, da es im Text um die männliche Geschlecht geschrieben wird, ob es auch Frauen gibt. � Bin gespannt...